Liebe Eltern, liebe Großeltern, liebe Leserinnen und Leser,
wenn Sie sich so in der Kita oder Grundschule Ihres Kindes oder Enkelkindes umschauen: Wie viele Männer sehen Sie da? Nein, keine Väter, die ihre Sprösslinge abholen. Ich meine
Erzieher und Lehrer. Laut Bundesagentur für Arbeit sind bundesweit gerade einmal 7 Prozent Männer in Kitas beschäftigt – in Städten oft mehr, im ländlichen Raum deutlich weniger. In Grundschulen sind es etwa 13 Prozent.
Wenn ich so an meine eigene Kindheit zurückdenke, kann ich das nur bestätigen. Im Kindergarten traf ich lediglich auf Erzieherinnen; die erste männliche Lehrkraft begegnete mir in der vierten Klasse. Als mir also die zweite männliche Autoritätsperson meines Lebens – neben meinem Vater – begegnete, war ich bereits 9 Jahre alt. Ich kann Ihnen sagen: Der Lehrer hatte es nicht leicht…
Aber warum ist das eigentlich so wichtig, dass auch Männer diese Berufe ergreifen? Die Antwort liegt auf der Hand: Diversität, unterschiedliche Identifikationsangebote für Kinder, ein Spiegel der gesellschaftlichen Vielfalt.
Seit einigen Jahren ist ein Wandel zu erkennen: So hat sich die Zahl an Erziehern seit 2011 fast verdreifacht. Zu ihnen zählt auch mein Partner, der sich seit einigen Jahren auf zweitem Berufsweg der Erziehung und Förderung von Kita-Kindern widmet. In der Ausbildung unter all den Frauen ein Exot, noch heute im Job-Alltag eher die Ausnahme als die Regel.
Noch immer ist von typischen Männer- und Frauenberufen die Rede. Treffen Kinder in Kita und Grundschule nur auf Frauen ist für sie klar: Das hier ist ein typischer Frauenberuf. Männer findet man auf Baustellen und in Werkstätten. Klaro!
Ja, diese traditionellen Rollenbilder (die fürsorgliche Frau, die gerne liest und malt; der starke, handwerklich begabte Mann) sind so leicht nicht abzuschütteln. Weder von Eltern noch vom Personal der Kitas selbst. Diese Erfahrung spricht auch aus meinem Partner, wenn er sagt:
„Meine Kolleginnen erwarten von mir als einzigem männlichen Erzieher in der Einrichtung eine sehr männliche Art. Ich muss immer direkt alle Männersachen machen. Vielleicht denken sie unbewusst, dass ich die vermeintlichen Frauensachen nicht so gut kann.“
Auch außerhalb der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen drängen sich diese Rollenbilder förmlich auf. Zum Beispiel in Spielwarengeschäften, in deren Regalen Bügelbrett, Küchenmaschine und Co. in (natürlich) rosa für die Mädchen stehen, während Konstruktionsspielzeug und Elektroautos in grün und blau auf die Jungs warten. Alles fein säuberlich getrennt voneinander. Dass die Verpackungen der jeweiligen Spielzeuge nur Mädchen beziehungsweise Jungs zeigen, ist selbstredend.
Selbst in Schuhgeschäften ist die erste Frage „Für einen Jungen oder ein Mädchen?“. Sorry, aber da möchte ich manchmal einfach nur mit den Augen rollen. Addieren wir diese Faktoren nun also mit Eltern, die sich unreflektiert in ihrem Konsum steuern lassen, haben sich am Ende der frühkindlichen Erziehung geschlechtsspezifische Stereotype gefestigt. Das mag für manche weniger problematisch sein als für andere. Klar ist jedoch: Es schafft die Grundlage dafür, dass Kinder sich weniger frei und individuell entfalten können.
Unser familiärer Alltag jedenfalls bewegt sich zwischen Einhorn und Akkuschrauber, zwischen malen und raufen. Wohin der Weg führt, wird sich zeigen. Bleiben wir gespannt; er ist jedenfalls in alle Richtungen offen.
Herzlichst
Ihre Patricia Liebling
Redakteurin LVZ Familie